Steht dem als Untervertreter handelnden Handelsvertreter ein Provisionsanspruch gegen den Hauptvertreter zu und wird dieser Provisionsanspruch außerdem durch einen Vollstreckungsbescheid gegenüber dem Unternehmer wegen Versäumung der Einspruchsfrist rechtskräftig tituliert, haften der Hauptvertreter und der Unternehmer dem Untervertreter gegenüber als Gesamtschuldner. Ist der Unternehmer allerdings gegenüber dem Hauptvertreter weder aus Vertrag noch aus einem anderen Rechtsgrund zur Zahlung der vom Hauptvertreter geschuldeten Provisionen an den Untervertreter verpflichtet, haftet im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander der Hauptvertreter allein. Alleine der Umstand, dass der Unternehmer den Vollstreckungsbescheid, der die Provisionsforderung des Untervertreters gegen den Hauptvertreter zum Gegenstand hatte, durch Versäumung der Einspruchsfrist gegen sich hat rechtskräftig werden lassen, ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht dahingehend auszulegen, dass dieser dadurch eine selbständige Mithaftung für die vom Hauptvertreter geschuldete Provisionszahlung gegenüber dem Untervertreter übernehmen will.

 BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 – VII ZR 293/19 

 Der Gläubiger (Untervertreter) stellte der Beklagten (Hauptvertreter) zwei Provisionsforderungen über erbrachte Leistungen, deren Bezahlung die Beklagte ablehnte. Der Gläubiger erwirkte in der Folgezeit einen Mahnbescheid und einen Vollstreckungsbescheid, die der Gläubiger an die Klägerin (vertretenes Unternehmen) gerichtet hatte. Im Rubrum des Mahn- und Vollstreckungsbescheids war die Klägerin als Antragsgegnerin angegeben. Der Gläubiger ließ den Mahn- und Vollstreckungsbescheid unter der Anschrift der Beklagten zustellen. Diese leitete den Vollstreckungsbescheid Monate später an die Klägerin weiter. Die Klägerin zahlte daraufhin die im Vollstreckungsbescheid titulierte Summe an den Gläubiger.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand in Höhe eines Betrags von 3.680,05 € ein Gesamtschuldverhältnis und die Beklagte war im Verhältnis zur Klägerin allein verpflichtet.

Gemäß § 421 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger, wenn mehrere eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Betrags von 3.680,05 € im Verhältnis des Gläubigers zu der Klägerin und der Beklagten erfüllt gewesen.

Der Gläubiger war aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Vertrags sowie aufgrund des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids gegen die Klägerin berechtigt, die abgerechnete Provision in dieser Höhe sowohl von der Beklagten als auch von der Klägerin zu fordern. Dem gegen die Klägerin ergangenen Vollstreckungsbescheid in dieser Höhe lag die gegen die Beklagte aufgrund des Vertrags bestehende Provisionsforderung zugrunde, die der Gläubiger ursprünglich berechtigterweise von der Beklagten fordern konnte. Da der Vollstreckungsbescheid gegen die Klägerin rechtskräftig geworden ist, schuldete die Klägerin ebenso wie die Beklagte die Zahlung des Provisionsbetrags. Zu Recht und mit zutreffender Begründung erachtet das Berufungsgericht die Klägerin und die Beklagte insoweit als Gesamtschuldner, weil die Klägerin durch den rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid hinsichtlich der Provisionsforderung in Höhe von 3.680,05 € – vergleichbar einem Schuldbeitritt – neben die Beklagte als ursprüngliche Schuldnerin als weitere gleichrangige Schuldnerin getreten ist.

Die Titulierung der Provisionsforderung in dieser Höhe gegenüber der Klägerin hat entgegen der Auffassung der Revision nicht zu einer weiteren eigenständigen – materiell-rechtlichen – Leistungsverpflichtung der Klägerin geführt mit der Folge, dass der Gläubiger den Betrag doppelt zum einen von der Klägerin und zum anderen von der Beklagten in voller Höhe hätte fordern dürfen. Es trifft nicht zu, dass der Vollstreckungsbescheid ein eigenständiges Leistungsinteresse geschaffen hat, das nur durch Zahlung auf den Titel befriedigt werden konnte. Der Gläubiger hat mit der Beantragung des Mahn- und Vollstreckungsbescheids gegenüber der Klägerin hinsichtlich des hier in Rede stehenden Betrages von 3.680,05 € insbesondere nicht behauptet, einen Provisionsanspruch oder einen sonstigen materiell-rechtlichen Anspruch gegen sie zu haben. Grundlage des Mahn- und Vollstreckungsbescheids war insoweit vielmehr der gegenüber der Beklagten abgerechnete Provisionsanspruch des Gläubigers. Gegenüber der Klägerin ist durch die Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids daher kein eigenständiger, von der gegenüber der Beklagten bestehenden Provisionsforderung losgelöster materiell-rechtlicher Anspruch festgestellt worden.

Die Beklagte ist im Verhältnis zur Klägerin allein zur Zahlung verpflichtet. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Letzteres ist vorliegend der Fall.

Die Beklagte war nach dem zwischen ihr und dem Gläubiger geschlossenen Vertrag Schuldnerin des Provisionsanspruchs in Höhe von 3.680,05 €, den die Klägerin aufgrund der ihr gegenüber erfolgten Titulierung des Anspruchs durch Zahlung an den Gläubiger erfüllt hat. Die Klägerin war gegenüber der Beklagten weder aus Vertrag noch aus einem anderen Rechtsgrund zur Zahlung der abgerechneten Provisionen an den Gläubiger verpflichtet. Unstreitig wurden die Provisionen des Gläubigers stets im Verhältnis zur Beklagten abgerechnet und bezahlt. Der Umstand, dass die Klägerin den Vollstreckungsbescheid, der die Provisionsforderung des Gläubigers gegen die Beklagte zum Gegenstand hatte, durch Versäumung der Einspruchsfrist gegen sich hat rechtskräftig werden lassen, ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht dahin auszulegen, dass sie dadurch eine selbständige Mithaftung für die von der Beklagten gegenüber dem Gläubiger geschuldete Provisionszahlung übernehmen wollte. Ein solcher Erklärungsgehalt ist dem Verhalten der Klägerin auch aus Sicht der Beklagten nicht beizumessen. Da die Klägerin mit ihrer Zahlung an den Gläubiger letztlich eine Schuld der Beklagten diesem gegenüber erfüllt hat, hat die Beklagte der Klägerin den Zahlungsbetrag im Innenverhältnis nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vollständig zu erstatten.

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