Der Anspruch auf Bucheinsicht nach § 87c Abs. 4 HGB als im Vergleich zum Buchauszug weitergehendes Recht soll der Kontrolle der Abrechnung oder des Buchauszuges dienen und den Handelsvertreter in die Lage versetzen, Gewissheit über die provisionspflichtigen Geschäfte zu erlangen. In dieser Funktion ist die Bucheinsicht ein besonders gestalteter Hilfsanspruch. Sie soll dem Handelsvertreter schnell und unmittelbar Kenntnis von den der Auskunftspflicht unterliegenden Tatsachen verschaffen. Im Ausgangspunkt erstreckt sich das Einsichtsrecht grundsätzlich auf die gesamten Geschäftsunterlagen des Unternehmers. Dem Einsichtsrecht unterliegen alle Bücher und Unterlagen, in denen Tatsachen festgehalten sein können, welche die von § 87c HGB erfassten Zahlungsansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertretervertrag betreffen können. Von der Einsicht erfasst werden auch elektronische geführte Geschäftsunterlagen, das heißt die technischen Hilfsmittel zur Dokumentation und Festhaltung geschäftlicher Vorgänge, wie Computer- und EDV-Systeme.

Allerdings ist der Unternehmer nicht verpflichtet, für die Einsichtnahme zusätzliche Unterlagen zu erstellen, die es vorher nicht gab. Eine Neuerstellung oder auch externe Beschaffung nicht vorrätiger Daten und Unterlagen ist vom Anspruch auf Bucheinsicht nach § 87c Abs. 4 HGB nicht mehr umfasst, da sich dieser Anspruch auf diejenigen Unterlagen beschränkt, die sich beim Unternehmer befinden.

 OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. April 2022 – 26 Sch 1/22

Gegenstand des Rechtsstreites vor dem OLG Frankfurt war die Vollstreckbarerklärung eines zuvor ergangenen Zwischenschiedsspruchs.

Zuvor hatten die Parteien über die Vollständigkeit, Richtigkeit und Leserlichkeit eines bereits erteilten Buchauszuges und das Bestehen sowie die Höhe etwaiger Provisions- und Ausgleichsansprüche gestritten. Mit der zugrundeliegenden Schiedsklage beim ICC hatte der Handelsvertreter auf der ersten Stufe einer Stufenklage einen Anspruch auf Bucheinsicht gemäß § 87c Abs. 4 HGB aufgrund berechtigter Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der übersandten Buchauszüge geltend gemacht. Mit einem Zwischenschiedsspruch verurteilte das Schiedsgericht daraufhin das vertretene Unternehmen, dem Handelsvertreter Einsicht in die Geschäftsbücher, Vertragsunterlagen, den einschlägigen Schriftwechsel und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit dies zur Feststellung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung oder der Buchauszüge über die Provisionsansprüche des Klägers aus sämtlichen Verträgen und Bestellungen über den Verkauf von Waren durch die Antragsgegnerin erforderlich sei.

Die Richter des 26. Senates des OLG Frankfurt erklärten den daraufhin eingereichten Antrag auf Vollstreckbarerklärung des inländischen Schiedsspruchs für zulässig, jedoch nicht für begründet.

Hinsichtlich des Inhaltes des Urteilsausspruchs eines Schiedsgerichtes – der wie im Streitfall – der gesetzlichen Formulierung nach § 87c Abs. 4 HGB folge, sei zur Bestimmung der Tragweite des Titels im Wege der Auslegung die gesetzliche Bestimmung heranzuziehen.

Die Bucheinsicht nach § 87c Abs. 4 HGB als im Vergleich zum Buchauszug (§ 87c Abs. 2 HGB) weitergehendes Recht solle der Kontrolle der Abrechnung oder des Buchauszuges dienen und den Handelsvertreter in die Lage versetzen, Gewissheit über die provisionspflichtigen Geschäfte zu erlangen. In dieser Funktion sei die Bucheinsicht ein besonders gestalteter Hilfsanspruch. Sie solle dem Handelsvertreter schnell und unmittelbar Kenntnis von den der Auskunftspflicht unterliegenden Tatsachen verschaffen. Im Ausgangspunkt erstrecke sich das Einsichtsrecht grundsätzlich auf die gesamten Geschäftsunterlagen des Unternehmers: Dem Einsichtsrecht unterlägen alle Bücher und Unterlagen, in denen Tatsachen festgehalten sein können, welche die von § 87c HGB erfassten Zahlungsansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertretervertrag betreffen können. Von der Einsicht erfasst seien auch elektronische geführte Geschäftsunterlagen, das heißt die technischen Hilfsmittel zur Dokumentation und Festhaltung geschäftlicher Vorgänge, wie Computer- und EDV-Systeme.

Allerdings sei der Unternehmer nicht verpflichtet, für die Einsichtnahme zusätzliche Unterlagen zu erstellen, die es vorher nicht gab.

Nach diesen Maßstäben habe die Antragsgegnerin den im Zwischenschiedsspruch zugesprochenen Anspruch zwischenzeitlich bereits erfüllt.

Der zwischenzeitlich für die Bucheinsicht eingesetzte Wirtschaftsprüfer habe in seinem Bericht ausgeführt, dass in Bezug auf bestimmte geforderte Umsätze eine Überprüfung der Einzelrechnungen über das Rechnungswesen des vertretenen Unternehmens nicht möglich gewesen sei. Dies wäre auch nur mit deutlich zusätzlichem Aufwand/Unterlagen möglich, da ein Abgleich über das Rechnungswesen/Buchhaltung bei der Antragsgegnerin nicht möglich sei. Dies sei jedoch kein „böser Wille“ der Antragsgegnerin, diese könne auf die insoweit notwendigen Unterlagen tatsächlich bisher nicht zugreifen.

Diese Ausführungen machten aus Sicht des OLG Frankfurt deutlich, dass nach Ansicht des Wirtschaftsprüfers das zentrale Problem darin liege, dass bei der Antragsgegnerin bestimmte Daten nicht vorrätig seien. Offenbar gehe er davon aus, dass es grundsätzlich möglich wäre, die entsprechenden Daten und Unterlagen zu beschaffen. Eine solche Beschaffung bei dem Unternehmen nicht vorrätiger Daten und Unterlagen sei jedoch von dem Anspruch auf Bucheinsicht nach § 87c Abs. 4 HGB nicht mehr umfasst, da sich dieser Anspruch – wie dargelegt – auf diejenigen Unterlagen beschränke, die sich bei dem Unternehmer befänden.

Die Antragsgegnerin habe den Anspruch des Antragstellers aus § 87c Abs. 4 HGB auch erst nach dem Erlass des Zwischenschiedsspruchs erfüllt (§ 767 Abs. 2 ZPO analog).

Der Vollständigkeit halber führten die Richter aus, dass der Antragsteller durch die dargestellte Begrenzung des Anspruchs auf Bucheinsicht auf beim Unternehmer vorrätige Daten und Unterlagen auch keineswegs rechtsschutzlos gestellt sei.

Wenn nämlich ein Handelsvertreter, die ihm durch § 87c Abs. 4 HGB eröffnete Möglichkeit zur Nachprüfung des Buchauszuges erfolglos erschöpft habe, wenn also z. B. auch die Bucheinsicht keine Klarheit gebracht habe oder wenn Bücher, die eingesehen werden könnten, nicht vorhanden seien, könne er in entsprechender Anwendung der §§ 259, 260 BGB unter den dort normierten Voraussetzungen eine Versicherung des Unternehmers an Eides statt über die Richtigkeit des ihm erteilten Buchauszuges fordern.

Da nach alledem der erhobene Erfüllungseinwand der Antragsgegnerin durchgreife, sei der Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen.

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