Eine Vertragsregelung, die den Handelsvertreter bei Vertragsende zur sofortigen Rückzahlung eines Unterverdienstes verpflichtet, der über mehrere Jahre beständig und massiv angestiegen ist, weil das vertretene Unternehmen durchgehend viel höhere Provisionsvorschüsse gezahlt als der Handelsvertreter ins Verdienen gebracht hat, kann eine unzulässige und daher gemäß §§ 134 BGB, 89 Abs. 2 Satz 1, 89a Abs. 1 Satz 2 HGB unwirksame Kündigungserschwernis darstellen.

In dem vom 23. Senat des OLG München unter dem Akten-zeichen 23 U 6109/21 entschiedenen Sachverhalt klagte die betroffene Handelsvertreterin u.a. auf Feststellung der Unwirksamkeit der betreffenden Rückzahlungsvereinba-rungen, nach-dem sie vom vertretenen Unternehmen ordentlich gekündigt und zur Rückzahlung der aufgelau-fenen Vorschüsse von über 30.000 Euro aufgefordert worden war.

Die Richter des 23. Senates führten zunächst aus, dass die Kündigungsfrist gemäß § 89 Abs. 2 HGB für den Unternehmer nicht kürzer sein dürfe als für den Handelsvertreter. Nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB dürfe das Recht des Handelsvertreters zur außerordentlichen Kündigung zudem nicht beschränkt werden. Bei beiden Normen handele es sich um zwingende Schutzvorschriften zugunsten des Handelsvertreters, der nicht einseitig in seiner Entschließungsfreiheit beschnitten werden dürfe. Eine danach unzulässige Beschneidung liege mittelbar vor, wenn an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, eine Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft seien. Ob die Nachteile von solchem Gewicht seien, dass sie zu einer unwirksamen Kündigungserschwernis führten, sei nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Diese Beurteilung hänge insbesondere von der Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den sie zu erstatten seien.

Nach diesen Grundsätzen sei im vorliegenden Sachverhalt von einer unzumutbaren Kündigungserschwernis auszugehen, als die Klägerin nach den vertraglichen Vereinbarungen dazu verpflichtet sei, einen Unterverdienst in Höhe von noch rund 30.000 € bei Beendigung des Handelsvertretervertrages auf einmal zurückzuzahlen. Zwar sei dieser Unterverdienst über viele Jahre und also einen längeren Zeitraum aufgelaufen. Dieser habe jedoch von Anfang an stetig zugenommen. Dieses beständig zunehmende, erhebliche Soll stehe wirtschaftlich einem hohen Kredit gleich, der bei Vertragsbeendigung in einer Summe zurückzuzahlen sei und sei folglich in seiner konkreten Entwicklung und Ausformung geeignet, die Entschließungsfreiheit der Klägerin in Bezug auf eine Vertragsbeendigung unzumutbar zu beeinträchtigen.

Selbst wenn man unterstelle, dass der vertretene Unternehmer ursprünglich bei Vertragsbeginn davon ausgegangen sei, die vertriebserfahrene Klägerin werde die Vorschüsse ins Verdienen bringen, wäre diese Vorstellung alsbald durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt worden. Anstatt die Vorschüsse dementsprechend zu reduzieren, seien gegen Ende der Vertragszeit die Differenzprovision sogar nochmals sprunghaft erhöht worden. Auf diese Weise sei der auf der Klägerin lastende Schuldendruck nochmals verstärkt worden, anstatt ihn abzumildern. Hierin liege das Kündigungshemmnis begründet. Es sei gerade das Problem, dass das vertretene Unternehmen über die Jahre (viel) zu hohe Vorschüsse an die Klägerin ausbezahlt habe, ohne diese zeitnah auch nur annähernd vollständig zurückzufordern, so dass es bei Vertragsbeendigung zu einer allzu hohen Rückforderung und damit zu einem entscheidenden Kündigungshemmnis gekommen sei. Das Unternehmen könne der Handelsvertreterin auch nicht vorhalten, keine ausreichenden Rückstellungen aus den an sie geleisteten Zahlungen gebildet zu haben. Vielmehr hätten umgekehrt das Unternehmen die Vorschusszahlungen angemessen regulieren können und müssen. Das gelte jedenfalls in der vorliegenden Konstellation, in der ein erheblicher Teil der Zahlungen, etwa der Bürokostenzuschuss oder die zur Aufbaufinanzierung gezahlten Vorschüsse, der Aufrechterhaltung und dem Ausbau des Geschäftsbetriebs der Handelsvertreterin und damit gerade nicht der Rückstellungsbildung zu dienen bestimmt gewesen seien.

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