Urteile des Monats

Vermittlung von Geschäftskontakten ohne Förderung konkreter Geschäftsabschlüsse

Vermittlung von Geschäften im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB ist in erster Linie eine auf den Abschluss von Geschäften gerichtete Tätigkeit, die einen konkreten Abschluss vorbereitet und ermöglicht. Eine derartige Tätigkeit erfordert somit das Einwirken auf einen Dritten als künftigen Geschäftspartner. Daher "vermittelt" der Handelnde nur dann, wenn er mittelbar oder unmittelbar auf den Dritten einwirkt, um einen Geschäftsabschluss herbeizuführen. Für die Annahme eines Handelsvertreterverhältnisses bedarf es damit zwingend der Förderung von konkreten Geschäftsabschlüssen durch den Handelsvertreter. Nicht ausreichend für diese Annahme sind hingegen das Schaffen von Geschäftskontakten, die Kontaktpflege selbst oder auch die bloße Kundenbetreuung. Ist deshalb das Bestehen eines Handelsvertretervertrages abzulehnen, weil der Handelnde nicht mit der Vermittlung von Geschäften ständig betraut ist, so ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1, 611 ff. BGB anzunehmen. Geschäftsbesorgung im Sinne von § 675 Abs. 1 BGB ist jede selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen. Auch rechtsgeschäftsähnliche oder tatsächliche Handlungen können darunter fallen. Die Herstellung von Geschäftskontakten ist somit unter diesem Begriff zu fassen. Fehlt es an in einem derartigen Sachverhalt an einer vereinbarten, taxmäßigen oder üblichen Vergütung, ist die Höhe der Vergütung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln. OLG Hamm, Urteil vom 30. September 2021 – 18 U 74/20

2021-12-23T18:27:35+01:0006.12.2021|

Verkauf von Waren – Handelsvertreterrichtlinie im digitalen Zeitalter angekommen

Der Begriff „Verkauf von Waren“ in der Handelsvertreterrichtlinie ist laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16. September 2021 unter dem Aktenzeichen C – 410/19 dahingehend auszulegen, dass er die elektronische Lieferung eines Computerprogramms an einen Kunden gegen Bezahlung einschließen kann, selbst wenn diese Lieferung durch die Erteilung einer unbefristeten Lizenz zur Nutzung des Programms ergänzt wird und damit eine förmliche Eigentumsübertragung auf den ersten Blick nicht stattgefunden hat. EuGH, Urteil vom 16. September 2021 – Az. C-410/19

2021-10-05T11:18:36+02:0005.10.2021|

Fortbestehende Provisionspflicht bei Nichtausführen des Geschäfts

Der Handelsvertreter behält grundsätzlich auch dann seinen Provisionsanspruch, wenn der vertretene Unternehmer das von ihm vermittelte Geschäft nicht ausführt, es sei denn der Unternehmer hat die Nichtausführung nicht zu vertreten. Bei der Beurteilung des Vertretenmüssens im Sinne von § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB sind die Interessen von Unternehmer und Handelsvertreter voneinander abzugrenzen. Denn die Treuepflicht ist keine einseitig den Unternehmer treffende Pflicht, vielmehr trifft den Handelsvertreter gegenüber dem Unternehmer seinerseits eine Treuepflicht. Der Unternehmer trägt allerdings die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Nichtausführung auf Umständen beruht, die er nicht zu vertreten hat. Dabei kann der vertretene Unternehmer ohne Nachteile bei § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB auf die Zurückweisung einer aus Rechtsgründen unwirksamen Kündigung des Kunden (in diesem Fall ein Versicherungsnehmer) verzichten, wenn eine Beitreibung der Prämien (hier: wegen Staatenimmunität) absehbar aussichtslos gewesen wäre. Der Unternehmer (in diesem Fall der Versicherer) kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten. Unterlässt der Versicherer in beider Hinsicht ausreichende Nachbearbeitungsmaßnahmen, muss er sich so behandeln lassen, als sei eine erfolgreiche Nachbearbeitung erfolgt und als sei der Provisionsanspruch des Vertreters endgültig entstanden. KG Berlin, Beschluss vom 4. Juni 2021 Aktz. 2 U 5/18

2021-08-30T10:52:09+02:0030.08.2021|

Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs auch bei Überschreitung der angemessenen Überlegungszeit durch den Unternehmer

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ist ausgeschlossen, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis kündigt und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorliegt. Ob der Unternehmer dabei auch die formalen Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung einhält (hier: Wahrung angemessener Überlegungszeit), ist für den Handelsvertreterausgleich jedenfalls dann unerheblich, wenn eine Kündigung durch den Unternehmer ausgesprochen worden und die Beendigung des Handelsvertretervertrages als solche unstreitig ist. Der Handelsvertreter hatte das Vertragsverhältnis nach Kündigung durch den Unternehmer seinerseits selbst gekündigt, ohne dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hatte. Denn die fristlose Kündigung des Unternehmers erfolgte mit hinreichendem Grund – nämlich wegen einer Tätigkeit der Ehefrau des Handelsvertreters für die Hauptkonkurrentin des Unternehmers. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2021 – 2 U 13/18

2021-06-02T09:55:41+02:0002.06.2021|

Ausgleichsanspruch trotz fristloser Kündigung

Die richtlinienkonforme Auslegung des § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB verlangt, dass der Ausgleichsanspruch infolge einer fristlosen Kündigung durch das vertretene Unternehmen nur dann ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem schuldhaften Verhalten des Handelsvertreters und der Kündigung des Unternehmers ein unmittelbarer Ursachenzusammenhang besteht. Die Kündigung muss daher tatsächlich auf den wichtigen Grund gestützt worden sein. Wichtige Kündigungsgründe konnte der Unternehmer daher im entschiedenen Fall auch nicht nachschieben. OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2021 – 19 U 148/20

2021-05-03T17:30:37+02:0003.05.2021|

Haftung für Provisionsanspruch des Untervertreters

Steht dem als Untervertreter handelnden Handelsvertreter ein Provisionsanspruch gegen den Hauptvertreter zu und wird dieser Provisionsanspruch außerdem durch einen Vollstreckungsbescheid gegenüber dem Unternehmer wegen Versäumung der Einspruchsfrist rechtskräftig tituliert, haften der Hauptvertreter und der Unternehmer dem Untervertreter gegenüber als Gesamtschuldner. Ist der Unternehmer allerdings gegenüber dem Hauptvertreter weder aus Vertrag noch aus einem anderen Rechtsgrund zur Zahlung der vom Hauptvertreter geschuldeten Provisionen an den Untervertreter verpflichtet, haftet im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander der Hauptvertreter allein. Alleine der Umstand, dass der Unternehmer den Vollstreckungsbescheid, der die Provisionsforderung des Untervertreters gegen den Hauptvertreter zum Gegenstand hatte, durch Versäumung der Einspruchsfrist gegen sich hat rechtskräftig werden lassen, ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht dahingehend auszulegen, dass dieser dadurch eine selbständige Mithaftung für die vom Hauptvertreter geschuldete Provisionszahlung gegenüber dem Untervertreter übernehmen will.

2021-04-06T00:55:14+02:0003.03.2021|

Keine Analogiefähigkeit der Ausschlusstatbestände für den Ausgleichsanspruch

Wenn in einem Handelsvertretervertrag die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für den Fall des Ausscheidens eines Geschäftsführers oder Gesellschafters aus der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierten Handelsvertreterin enthalten ist mit der weiter vereinbarten Wirkung, dass das Vertragsverhältnis durch Eintritt dieser auflösenden Bedingung beendet wird, erfüllen diese Regelungen  den insoweit maßgeblichen in der EU – Handelsvertreterrichtlinie enthaltenen Ausschlusstatbestand nicht. Die in der Richtlinie hierzu enthaltene Bestimmung setzt voraus, dass der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis selbst beendet hat. Dies ist bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung seitens des Handelsvertreters der Fall. Im Hinblick darauf, dass der dortige Ausschlusstatbestand für das Entstehen eines Ausgleichsanspruches eng auszulegen ist und dass diese Richtlinienbestimmung nicht in einer Weise ausgelegt werden kann, die darauf hinausliefe, dass ein dort nicht ausdrücklich vorgesehener Grund für den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs hinzukommt – so der BGH mit Urteil vom 05. November 2020 Aktz. VII ZR 188/19, kann die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Eintritt einer zwischen den Vertragsparteien vereinbarten auflösenden Bedingung hingegen nicht als Beendigung des Vertragsverhältnisses seitens des Handelsvertreters  eingestuft werden. Dies gilt auch dann, wenn der Eintritt der auflösenden Bedingung vom Handelsvertreter beziehungsweise dessen Organen selbst herbeigeführt wird. Denn in derartigen Fällen wird das Vertragsverhältnis nicht unmittelbar durch rechtsgeschäftliches Handeln des Handelsvertreters, sondern durch den Eintritt der vereinbarten auflösenden Bedingung beendet.

2021-06-03T11:27:00+02:0029.01.2021|

Auskunftsanspruch auf den vom Hersteller erzielten Rohertrag eines Produktes besteht nicht

Der Vorteil des Unternehmers oder Herstellers im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht darin, die vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffenen Geschäftsverbindungen nach Beendigung des Vertrags weiterhin nutzen zu können. Es geht damit um eine Bewertung dieses vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffenen Kundenstamms ( goodwill ). Ein Anspruch des Vertragshändlers gegenüber dem Hersteller auf Auskunft über den von diesem mit dem Produkt insgesamt erzielten Rohertrag zur Durchsetzung eines Ausgleichsanspruchs besteht nicht. BGH, Urteil vom 24. September 2020 – VII ZR 69/19

2020-12-07T12:07:31+01:0006.12.2020|

Schutzpflichten aus laufender Geschäftsbeziehung

Aus einer laufenden Geschäftsbeziehung, die weder einem Handelsvertreter- noch einem Vertragshändlervertrag gleichkommt, können auch gewisse Schutzpflichten begründet werden. Denn ein Dauerschuldverhältnis in Gestalt einer laufenden Geschäftsverbindung kann als "gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht", nämlich als "geschäftlicher Kontakt" im Sinn von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB, aufgefasst werden, welches besondere Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründet. Eine Pflichtverletzung eines solchen Dauerschuldverhältnisses kann wegen einer vorzeitigen, nicht ausreichend auf die Interessen des Geschäftspartners Bedacht nehmenden Beendigung der Verkäufe in Betracht kommen. OLG Hamm, Urteil vom 14. Mai 2020 – 18 U 93/19 

2020-11-12T14:06:49+01:0010.11.2020|

Ausgleichsanspruch eines Kommissionsagenten

Ein sog. Kommissionsagent, der wie ein Kommissionär im eigenen Namen und für fremde Rechnung verkauft, aber wie ein Handelsvertreter mit dieser Verkaufstätigkeit „ständig betraut“ ist, hat keinen Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 HGB, wenn die vertragliche Verpflichtung des Agenten fehlt, dem Hersteller oder Lieferanten nach Vertragsende seinen Kundenstamm so zu übertragen, dass dieser sich diesen bei Vertragsende sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann. Hieran fehlt insbesondere dann, wenn der Betrieb eines Mono-Shops für Schuhe mangels Zugriffs des Herstellers bzw. Lieferanten auf die Räumlichkeiten nicht fortgesetzt werden kann und der vorherige Kommissionsagent den Shop dort mit vergleichbaren Waren weiter auf eigene Rechnung betreibt.
 Urteil des OLG Frankfurt vom 10. Juni 2020 – Aktz. 6 U 46/18

2020-10-02T10:33:50+02:0002.10.2020|
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